Donnerstag, 15. Oktober 2015

Zugfahrt ins Glück?



Zugfahrt ins Glück?

Dunkel wurde schon wieder der Abend, als die letzten Töne der Kuschelrock verklangen und die Batterien ihres Players den Geist aufgaben. Ärgerlich steckte sie den Player zurück in die Tasche und zog ein kleines Büchlein hervor. Einen Kugelschreiber kramte sie gleich mit aus der Tasche, hatte sie doch wieder diesen wundervollen Gedanken im Kopf und wollte sie gerne zu Papier bringen. Irgendwie wollten ihr aber nicht die rechten Worte einfallen, welche diese wundervollen Gedanken hätten zu Papier bringen können. Ein wenig ärgerlich blickte sie zum Zugfenster hinaus - ihre Gedanken schweiften ab. Zogen zu jenem jungen Mann hin, den sie zum ersten Mal zu treffen gedachte. Ein Foto hatte sie schon gesehen von ihm, doch... sah er in real auch so aus? Oder war es wieder nur ein Fake? Denn davon hatte sie genug bekommen und gesehen. Ein wenig mulmig wurde ihr zumute, es trennte sie bloß noch einen Moment der Zugfahrt und eine Haltestelle von ihm. Zitternd schob sie ihre Hand in die Tasche und kramte einen Schokoriegel hervor. Nervennahrung hatte ihr in solchen Momenten bisher immer geholfen etwas ruhiger zu werden. Schon kam auch die Durchsage nach der nächsten Haltestelle, dem vorersten Ende ihrer Zugfahrt. bebend stand sie auf und stellte sich in die Tür des stotternd bremsenden Zuges. Mit einem letzten Ruck kam dieser zum endgültigen Stehen und schon öffneten sich auch die Türen. Mit dem Buch und dem Kugelschreiber in der Hand stieg sie sich umschauend und suchend aus dem Zug aus, entdeckte ihr Ziel und lief gradewegs darauf zu.

Wartend und ein wenig frierend fand er sich am verabredeten Treffpunkt ein, suchte sich einen Platz der etwas abgelegen und doch zentral genug lag um, den Überblick zu behalten. Ein wenig murrend ärgerte er sich über sich selber nicht doch einen wärmeren Pulli angezogen zu haben. Schon kündigte sich auch der einfahrende Zug an, der ihm sein vielleichtes Glück bringen sollte. Noch einmal straffte er die Schultern und atmete tief durch, ein wenig mulmig war ihm doch schon zumute bei diesem immerhin doch noch Blinddate. Zwar hatte er sich das Foto von ihr recht gut eingeprägt, doch wusste er ob sie das wirklich war? Woher auch! Dann stand auch schon der Zug mit einem letzten Ruck, die Türen öffneten sich und eine Menge Personen stiegen aus. Er entdeckte nicht sofort was er suchte, aber dann… ein leichtes Lächeln über sein Gesicht huschte, als er sie in der Masse der Menschen ausmachte. Sie lief zielstrebig auf ihn zu und da war sie.

Dann standen sie sich endlich persönlich gegenüber. Ein schüchternes Hi und ein liebevoller Knuddler, das war die erste Begrüßung. Süß! Dann gingen sie einstimmig gemeinsam erst einmal runter vom Bahnsteig. Ihm war kalt und er brauchte erst einmal einen heißen Kaffee zum warmwerden, das was sie doch auch gerne übernommen hätte, wollte sie es aber mitnichten laut heraus sagen. Nun standen sie unten am Bäcker, keiner von beiden traute sich irgendwie großartig zu sprechen. Vor ihnen lag ein Wochenende mit viel Spaß, viel Gelächter und vielen Gesprächen. Es konnte keiner von beiden wissen, dass nach diesem Wochenende nicht mehr das sein würde, was es vorher war. eine Menge sollte passieren.
Es passierte auch eine Menge. Viel Spaß hatten die beiden zusammen, nachdem sie erst einmal richtig auftauten. Was wurde da gespielt? Oder war es gar kein Spiel? Bemerkte er ihre Blicke nicht? Kleine sehnsuchtsvolle Blicke welche sie ihm zwischendurch immer wieder zuwarf. Anscheinend bemerkte er sie wirklich nicht. Was für einen Kummer bereitete er ihr nur damit. Viel es ihm denn wirklich nicht auf? War er denn wirklich blind?
Die Nacht brachte sie dann völlig aus der Bahn. Ein kleines Spiel, erst Spaß und dann doch ernst gemeint, brachte beide zum Lachen und scherzen. Vom Scherzen zum Kabbeln. Sollte sie es ihm leicht machen oder ihn doch ein wenig zappeln lassen? Nein... so einfach macht sie es keinem Mann. Niemand soll sie einfach so haben können. Sie wollte, dass er kämpfte. Kämpft um sie... um ihr Leben, ihr Glück, um ihre Liebe! Doch es sollte leider nicht so kommen. Viel zu kurz war ihre Nacht. Früh des Morgens wachte sie auf... neben ihm. Beobachte seinen Schlaf und empfand jenes merkwürdige Gefühl, welches sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Jenes Gefühl, welches bei ihr einen Reflex auslöste zu beschützen, ein Verlangen, eine Sehnsucht, die sich nach ihm verzehrte. Wie nannte man dies doch gleich noch? Liebe!?! Doch empfindet sie wirklich Liebe für ihn oder ist es nur eine Schwärmerei? Nein... es ist Liebe da ist sie sich sicher... dieses Gefühl kann nur Liebe sein!
Leise stand sie auf, machte Musik an und sang leis zu den Klängen der Kuschelrock-CD. Sie war glücklich, sehr glücklich und verliebt. Tanzte durch ihre Wohnung, leis, still und heimlich... er sollte es nicht mitbekommen. Schon nahm sie sich wieder ihr Büchlein und schrieb wie von selbst jene wunderbaren Worte auf, die ihr ihre Gefühle in den Kugelschreiber legten. Leider erwachte er in jenem Moment aus seinem süßen Schlaf, auch verging dann der Vormittag viel zu schnell. Immer trauriger und bedrückender wurde ihre Stimmung, er bemerkte etwas, doch sprach es nicht an. Schon nahte auch wieder ihr Abschied voneinander... die letzte Zugfahrt... eine Zugfahrt ins Ungewisse. Immer stiller und bedrückender wurde sie, er bemerkte es, sprach sie an, sie verneinte. Sah er ihr das nicht an was sie so bedrückte? Oder gar ahnte er etwas und traute sich auch nicht das auszusprechen was denn schon offensichtlich war für alle? Dann nahte auch schon der Abschied... ein zugiges Gleis, eine letzte Umarmung, ein letzter Gruß und beide stiegen in ihre Züge und entfernten sich wieder voneinander.

Ihr ist zum Weinen zumute, doch tut sie es nicht, noch nicht, nicht im Zug vor allen Leuten. Und wieder zog sie ihr kleines Büchlein heraus und blätterte darin herum... suchte nach jenem einem Gedicht, welches ihrer momentanen Stimmung am nächsten kam, fand es und schluckte die leisen Tränen der Verzweiflung herunter.